Donnerstag, 20. April 2017

Barmherzigkeit, Andacht, Kitsch und Kunst

Am Samstag, 22. April 2017 um 19.00 Uhr wird Bischof Friedhelm Hofmann in der Würzburger Pfarrkirche St. Peter und Paul ein neues Bild des Leipziger Malers Michael Triegel segnen. Triegel, der in der DDR aufgewachsen ist und 2014 katholisch getauft wurde, hat für die kürzlich renovierte Kirche das Motiv des Barmherzigen Jesus neu interpretiert. Im vergangenen Jahr habe ich mit Michael Triegel für die "Herder Korrespondenz" ein Interview geführt. Triegel sprach damals auch über sein Vorhaben. Der Barmherzige Jesus gilt unter manchen Katholiken, die sich für gebildet halten, als Zumutung für ihren Geschmack und ihren Intellekt. Ich habe Triegel deshalb sinngemäß gefragt, ob das Ganze nicht eine völlig irre Idee ist (natürlich in anderen Worten):
Sie haben jetzt den Auftrag angenommen, für die Würzburger Pfarrei St. Peter und Paul ein Bild des Barmherzigen Jesus zu malen. Die existierenden Bilder, die auf die Visionen der heiligen Faustyna Kowalska zurückgehen, gelten als Inbegriff des religiösen Kitsches. Ist es nicht ein riskantes Vorhaben, einen neuen Barmherzigen Jesus zu malen?
Triegel: Das ist definitiv riskant. Aber das macht für mich auch das Spannende dieses Auftrags aus. Ich bin jetzt 47 Jahre alt und es ist doch gut, wenn man sich in diesem Alter wieder auf eine Gratwanderung einlässt – mit der Gefahr abzustürzen. Meine erste Reaktion auf die Anfrage war denn auch: Das geht gar nicht. Dann habe ich gedacht: Man kann die Barmherzigkeit Jesu eigentlich nur durch eine barmherzige Tat darstellen. Aber nach und nach kam es mir immer reizvoller vor, mir zunächst den Urtext vorzunehmen. Also lese ich jetzt die Visionen der Faustyna Kowalska.
Und was war Ihre erste Reaktion?
Triegel: Im ersten Moment – das muss ich zugeben – habe ich einen Schreck bekommen. Ich habe gedacht: Mein Gott, was ist mit der Frau los? Das ist ja an der Grenze zum Pathologischen.
Den Eindruck hat man bei Mystikern natürlich oft.
Triegel: Richtig. Und als ich das verstanden habe, kam bei mir die Frage auf, wieso ich die Visionen des heiligen Ignatius von Loyola für mich akzeptieren kann, ich aber derartige Schwierigkeiten habe, wenn der zeitliche Abstand zum Heute so klein ist. Faustyna ist morgens mit der Straßenbahn auf den Markt gefahren und abends erschien ihr der Barmherzige Jesus. Die historische Distanz taucht die Viten und Visionen der Heiligen normalerweise in ein märchenhaftes Licht. Das funktioniert bei Faustyna nicht. Ich habe mir nun vorgenommen, das, was sie schreibt, erst einmal wörtlich zu nehmen, es nicht sofort zu hinterfragen, sondern zu schauen, was es mit mir macht. Im Moment bin ich an dem Punkt zu sagen: Ich will versuchen, es so zu malen, wie sie es beschreibt – so gut wie möglich! Ich muss es, auch handwerklich, so malen, dass es glaubhaft ist; es darf keine Oberfläche sein, kein Abklatsch von Erwartungen.
Die Segnung geschieht im einem Vigilgottesdienst am Vorabend des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit. Ich habe Triegels Bild bereits gesehen und kann sagen, dass es sich nicht nur um eine "Aufwertung" des bekannten Motivs in Triegels altmeisterlichem Stil handelt, sondern dass das Bild tatsächlich Zeugnis eines theologischen und religiösen Ringens mit der Darstellbarkeit Gottes ist. Die Herausforderung besteht nicht zuletzt darin, dass das Bild nicht für ein Museum gemalt ist und auch nicht, um eine leere Fläche an der Wand zu füllen, sondern dass es ein Andachtsbild ist, vor dem Menschen, die die Sache ernst nehmen, niederknien, Kerzen entzünden und ihre Gebete sprechen werden. Wann hat zuletzt ein zeitgenössischer Künstler so etwas versucht?

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