Freitag, 23. Juni 2017

Gerhard Ludwig Müller: Fünf Jahre Präfekt

Kardinal Müller und die Presse
In einer Woche kann Kardinal Gerhard Ludwig Müller ein Jubiläum feiern. Denn am 2. Juli 2017 ist es genau fünf Jahre her, dass Papst Benedikt XVI. ihn zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannte. Ob der Kardinal aber tatsächlich in Feierlaune sein wird? Denn seine Zeit als Präfekt könnte in diesen Tagen auch zu Ende gehen.
Papst Johannes Paul II. hat 1988 mit der Konstitution "Pastor Bonus" die Funktion der Römischen Kurie geregelt. In diesem Dokument heißt es:
"Der Präfekt oder der Präsident, die Mitglieder des Dikasteriums, der Sekretär und die übrigen höheren Beamten sowie die Konsultoren werden vom Papst für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt."
Ob also in der Kongregation tatsächlich die Korken knallen, hängt wohl davon ab, ob sich Papst Franziskus entscheidet, die Amtszeit von Kardinal Müller um weitere fünf Jahre zu verlängern, oder nicht.
Das Verhältnis zwischen Papst und Präfekt scheint nicht ganz einfach zu sein. 2016 verlor Kardinal Müller drei Mitarbeiter seiner Kongregation. Sie wurden laut Medienberichten vom Papst ohne Angabe von Gründen in ihre Heimatdiözesen zurückgeschickt. In einem Interview kritisierte Müller diesen Schritt öffentlich: Er sprach in diesem Zusammenhang von "altem höfischen Gebaren" und wünschte sich eine "bessere Behandlung unserer Mitarbeiter beim Heiligen Stuhl".
Und bei einer Buchvorstellung beklagte der Kardinal kürzlich eine zu starke Fokussierung der Öffentlichkeit auf den Papst:
"Wir kehren zu den Diskussionen des Ersten Vatikanischen Konzils zurück, mit der Idee, dass fast alle Worte des Papstes unfehlbar seien. (...) Aber der Papst ist nicht der Messias, sondern der Stellvertreter Jesu Christi, der Diener Jesu Christi".
Bislang neigte Papst Franziskus in seiner Personalpolitik allerdings eher dazu, nicht die Köpfe auszutauschen, sondern Kurienposten in der zweiten und dritten Reihe neu zu besetzen. Kardinal Müller wird im Dezember 70 Jahre alt. Im Alter von 75 Jahren "sind die leitenden Kardinäle gebeten, dem Papst ihren Amtsverzicht anzubieten", wie es in "Pastor Bonus" heißt. Müller könnte also noch eine volle Amtszeit von fünf Jahren Präfekt der Glaubenskongregation bleiben.

Samstag, 17. Juni 2017

Eschatologie bei Ratzinger

Pater Lombardi und die letzten Dinge
Es ist ruhig geworden um Joseph Ratzinger - dieser Eindruck kann sich einstellen, wenn man in die deutschsprachigen Medien blickt. Selbst das Interviewbuch "Letzte Gespräche" hat keine besonders hohen Wellen mehr geschlagen. Auch die akademische Theologie scheint hierzulande nicht mehr so stark um die von Ratzinger gesetzten Themen zu kreisen, sondern sich anderen Fragen zuzuwenden. Einige Theologen greifen etwa begeistert die pastoralen Stichworte von Papst Franziskus auf und stilisieren sie zum großen Paradigmenwechsel hoch. Dreht sich alles nur noch um "Peripherien" und "Zärtlichkeit"?
Doch dass das Denken Ratzingers noch weiterwirkt und vor allem international breit rezipiert wird, zeigt die Arbeit der "Fondazione Vaticana Joseph Ratzinger - Benedetto XVI.". Präsident der Stiftung ist der ehemalige Vatikansprecher Federico Lombardi. Jedes Jahr veranstaltet die Stiftung mindestens ein internationales Symposium. In den letzten Jahren organisierte die Stiftung unter anderem Konferenzen in Bydgoszcz (Polen), Rio de Janeiro (Brasilien), Medellín (Kolumbien) und Madrid (Spanien). Der Tagungsband der letzten Konferenz, die im November 2016 in Rom stattfand und sich der Eschatologie im Denken Ratzingers widmete, wurde nun vor einigen Tagen im Campo Santo Teutonico vorgestellt. Das Thema spielt in der Theologie Ratzingers eine wichtige Rolle und mit der Enzyklika "Spe salvi" über die Hoffnung hat es auch sein Lehramt geprägt.
Im Hintergrund der Fondazione arbeitet mit unermüdlichem Fleiß ihr Sekretär, der Mailänder Historiker Pietro Luca Azzaro. Er ist für die italienische Ratzinger-Gesamtausgabe verantwortlich und hat die meisten Ratzinger-Werke selbst ins Italienische übersetzt. Auch für den neuen Band war er als Herausgeber mitverantwortlich.
Bei der nächsten Konferenz geht es um Ökologie - ein Thema, bei dem sich, sicher Verbindungslinien zwischen der Theologie Ratzingers und den Aussagen von Papst Franziskus ziehen lassen.

Freitag, 2. Juni 2017

It rings a bell

Im Dezember 2015 einigten sich die Staaten der Welt bei der Pariser UN-Klimakonferenz auf das Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Das Abkommen entstand unter maßgeblicher Beteiligung der Vereinigten Staaten. Nur zwei Länder unterschrieben nicht: Syrien und Nicaragua. Nun hat US-Präsident Donald Trump entschieden, aus dem Abkommen auszusteigen.
Ich habe kurz nach der Pariser Konferenz ein Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Ottmar Edenhofer geführt. Der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung war in den Achtziger- und Neunzigerjahre Mitglied des Jesuitenordens - und seine theologische Prägung ist ihm immer noch anzumerken. Er erklärte mir damals, warum es so schwer für die Menschen ist, die Realität des Klimawandels zu akzeptieren:
"Der moderne Mensch hat, wie Freud sagt, drei narzisstische Kränkungen zu verkraften. Durch Kopernikus hat er lernen müssen, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Darwin hat ihm vor Augen geführt, dass er Teil der biologischen Evolution ist, in der der Stärkste überlebt, der Mensch aber nicht mehr das Ziel der Evolution ist. Und Freud hat ihm nach seinem eigenen Selbstverständnis klargemacht, dass er durch unbewusste Impulse gesteuert ist. Diese schränken seine Freiheit empfindlich ein, weil er auf das Unbewusste keinen unmittelbaren Zugriff hat. Und genau dieser Mensch, der diese narzisstischen Kränkungen ertragen musste, sieht sich in der Moderne nun mit einem Machtzuwachs konfrontiert, der in der Kulturgeschichte beispiellos ist."
Auf die Frage, worin dieser beispiellose Machtzuwachs besteht, antwortete er:
"Die Atombombe hat uns eine erste Ahnung vermittelt, wir könnten uns selber auslöschen. Und nun greifen wir in den bio-geo-chemischen Kreislauf des Planeten mit einer Intensität und Geschwindigkeit ein, die ihn auf irreversible Weise verändern und das Habitat des Menschen zerstören können. Aber gerade narzisstisch gekränkte Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Macht überhaupt wahrzunehmen. Kollektiv befinden wir uns in der Situation von Halbstarken. Jetzt müssen wir lernen, diesem Machtzuwachs wahrzunehmen und damit umzugehen."
Halbstarke, die lernen müssen, mit ihrem Machtzuwachs umzugehen... It rings a bell. für Edenhofer ist es nun jedenfalls entscheidend, dem Fortschritt nicht dem Rücken zu kehren, aber ihm eine neue Richtung zu geben:
"Guardini beschreibt, wie die neuzeitliche Wissenschaft dem Menschen neue Möglichkeiten der Macht zugespielt hat, der moderne Mensch aber diesen Machtzuwachs verdrängt. Verleugnet der Mensch seinen Machtzuwachs, dann ist er dazu verdammt, die technische Entwicklung nicht gestalten zu können, sondern als "naturwüchsig" zu erleiden. Es geht aber gerade angesichts des Klimawandels darum, dass wir dem technischen Fortschritt eine neue Richtung geben, nicht darum, dass wir uns von der Technik verabschieden. Entscheidungen über die Fragen der Energienutzung, des Managements des Kohlenstoffkreislaufs oder der Gentechnik sind eben nicht nur technische, es sind immer auch ethische Fragen. Technischer Fortschritt ist nur dann ein Fortschritt, wenn daraus ein Zuwachs an Freiheit und Gerechtigkeit möglich wird."
Mit dem Halbstarken im Weißen Haus wird das nicht möglich sein.