Dienstag, 8. Mai 2018

Warum Papst Franziskus Rihanna und Kardinal Burke braucht

Rihanna als Papst
30.000 Dollar kostet eine Eintrittskarte. Eine Tischreservierung ist für 275.000 Dollar zu haben. Die jährliche "Met Gala" ist eine Fundraising-Veranstaltung für das Costume Institute des Metropolitan Museum of Art in New York. Die Gala eröffnet jeweils eine Modeausstellung des Museums. Thema in diesen Jahr: "Himmlische Körper. Mode und die katholische Vorstellungskraft". Die prominenten Gäste der Gala interpretieren mit ihrem Look gern das jeweilige Motto. So auch in diesem Jahr. Rihanna trug Mitra, Katy Perry hatte Engelsflügel umgeschnallt und die Sängerin Zendaya erschien, inspiriert von Jeanne d'Arc, in Rüstung und Kettenhemd.
Die Ausstellung kam unter offizieller Beteiligung des Vatikans zustande. Fünfzig Stücke aus der päpstlichen Sakristei sind im Rahmen der New Yorker Schau zu sehen. Dahinter steckt Kardinal Gianfranco Ravasi, der Chef des Päpstlichen Kulturrats. Im Interview mit der italienischen Vogue erklärt er:
"Das liturgische Gewand ist so reich und prächtig, weil es die transzendente Dimension des religiösen Geheimnisses repräsentiert, und bestrebt ist, dasjenige, was göttlich ist, mit Herrlichem und Wunderbaren zu schmücken." Mode, so der Kardinal, sei "eine Form der Kommunikation, die in der zeitgenössischen Kultur sehr relevant ist." Und er fuhr fort: "Wie in den kirchlichen Paramenten die Sakralität der liturgischen Funktion zum Vorschein kommt, so erscheint in den Luxuskleidern der Haute Couture eine symbolische Funktion, die über die reine Funktion, sich zu bedecken, hinausgeht".
Katy Perry als Engel
In der Tat. Die katholische Tradition hat die komplexe symbolische Funktion von Kleidung stets zu nutzen gewusst. Im Gesamtkunstwerk Liturgie spielten Kleidungsstücke immer eine große Rolle: Sie bildeten einen eigenen semiotischen "Code", eine textile Zeichensprache, die mit den anderen Ausdrucksebenen des Gottesdienstes – Gesten und Bewegungen, Klänge, Gerüche bis hin zu Blumen – zusammenwirkte.
Doch seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist es im Katholizismus etwas verpönt, allzu viel Aufmerksamkeit auf Kleidung und überhaupt auf "Äußerlichkeiten", auf cultus et decor, zu verschwenden. Die Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium" gab 1963 die Parole von der "edlen Einfachheit" aus. Adolf Loos, der Prophet der architektonischen Moderne, hatte bereits 1908 in seinem Essay "Ornament und Verbrechen" geschrieben: "Der moderne Mensch, der Mensch mit den modernen Nerven, braucht das Ornament nicht, er verabscheut es". Schmuck war etwas für tätowierte Häftlinge und degenerierte Aristokraten.
Das ist hundert Jahre her und entspricht nicht mehr ganz dem Zeitgeist. Wie in der Mode kennt auch die Kirche Revivals. So kam es unter Papst Benedikt XVI. zu einem Wiederaufleben älterer Gewänder und Insignien. So manch abgeschnittener Zopf war plötzlich wieder da. Das war sicher auch Ausdruck einer neuen Suche nach Identität: Nach dem "Aggiornamento" der Sechziger ging es im neuen Millenium um das Wiederanknüpfen an Traditionen.
Beobachter fielen etwa die roten Schuhe auf, die der Papst trug, und die an die „Kreuzigung und das Blut Christi“ erinnern sollten, wie der päpstliche Schuhmacher damals in einem Interview erläuterte.
Papst Franziskus konnte mit diesen Revival offenkundig nichts anfangen, und so sind mit ihm wieder nüchternere Zeiten angebrochen. Er trägt immer wieder die selbe Mitra mit den braune Streifen, die er schon in Buenos Aires regelmäßig aufhatte. Pracht und Luxus ist ihm zuwider. Das Einzige, was er zur Schau stellt, ist seine Bescheidenheit und Demut. "Unter Papst Benedikt wurde mehr Spitze getragen," gab kürzlich ein Schneider auf katholisch.de zu Protokoll.
Raymond Burke als Kardinal
Diejenigen, die gegen das päpstliche Vorbild an einer gewissen Opulenz festhalten, gelten unter vielen Kirchenleuten als Witzfiguren, ja, als klerikale Transvestiten. Die meterlange Seidenschleppe, mit der Kardinal Raymond Burke gelegentlich zu sehen ist, hat ihm natürlich viel Spott eingebracht, obwohl er bei der Met Gala damit wohl genau richtig gewesen wäre.
Der Spott über die Tracht der Kleriker ist ein antiklerikaler Topos aus dem 19. Jahrhundert. Die Priester mit ihren langen Gewändern, galten schon damals als weibisch, hysterisch, unmännlich – und damit als perfekte Exempel der irrationalen, ja perversen Natur des Katholizismus. Irgendwann hat man sich in der katholischen Kirche diese Kritik zueigen gemacht.
Das heißt nun aber nicht, dass der Verzicht auf Pracht auch einen Verzicht auf textile Kommunikation bedeutet. Die Eintönigkeit der päpstlichen Gewänder, die orthopädischen Schuhe, die Franziskus trägt, ja sogar sein Brillengestell werden in Zeiten der medialen Omnipräsenz des Papstes natürlich auch zu kommunikativen Mitteln. Der Papst macht so deutlich, dass Gott für ihn weniger in der Schönheit und Herrlichkeit zu finden ist, sondern eher in der Armut, in der Schwäche, in der Einfachheit. "Man kann nicht nicht kommunizieren", lehrt uns Paul Watzlawick.
Diese Zeichensprache lebt allerdings vom Kontrast. Insofern ist der Pomp von Kardinal Burke und die Outfits den Stars bei der Met-Gala mit ihren überdeutlichen, teilweise bizarren sakralen Anleihen, sogar notwendig: Als Kontrastfolie für die ostentative Demut des Papstes.