Dienstag, 19. September 2017

Ich komme in die Hölle

Pater Hans Zollner und Daniel Pittet
"Er ist wie ein Bruder für mich", sagte Daniel Pittet am Samstag hier in Rom über seinen Peiniger, der ihn als Kind hunderte Male missbraucht hat - genauso wie viele andere Kinder. Pittet kommt aus der französischen Schweiz und hat ein Buch über seiner Erfahrungen geschrieben. Es heißt "Pater, ich vergebe Euch. Missbraucht, aber nicht zerbrochen" und ist auf Deutsch bei Herder erschienen. Pater Hans Zollner vom Kinderschutzzentrum der Gregoriana hat es in der Residenz der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl vorgestellt. "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern", heißt es im Vaterunser. Kann man das wirklich von den Betroffenen verlangen? Daniel Pittet hat es getan. Er hat dem Täter vergeben.
Im Anschluss an die Präsentation, in der Zollner eine "Theologie im Angesicht von Missbrauch, eine Theologie der Kindheit" forderte, erzählte Pittet von einer Begegnung mit dem Täter, dem Ex-Kapuzinerpater Joel Allaz. Dieser habe ihm gesagt: "Daniel, ich gehe in die Hölle". Das habe er, Pittet, Papst Franziskus berichtet. Dieser habe darauf geantwortet, Allaz müsse zu einem Priester gehen, seinen Sünden beichten und bereuen, dann könne er gerettet werden. Das habe Pittet bei seiner nächsten Begegnung Allaz gesagt. "Das kann ich nicht glauben", habe dieser geantwortet. Er bete jeden Tag für seinen Peiniger, sagte Pittet. "Ich hoffe, dass wir zusammen in den Himmel kommen."

Mittwoch, 13. September 2017

Deine Sünden sind dir vergeben

Hier noch ein kleiner Eindruck aus den Ferien: In einer kleinen lutherischen Dorfkirche in Schleswig-Holstein ist ein prominenter Stelle ein Möbel aufgestellt. Man fragt sich, was für ein seltsames Gehäuse mit Gardinen denn da im Chorraum steht, tritt näher, und liest die Inschrift: "ICH BEKENNE DIR HERR MEINE SÜNDE UND VERHELE MEINE MISSETHAT NICHT. PSALM 32 V. 5. GEHE HIN MEIN SOHN ODER TOCHTER. DEINE SÜNDE SIND DIR VERGEBEN. MATH 9 V 2."
Ach so. Ein Beichtstuhl. Links und rechts vom Altar mit dem schönen, barock eingefassten Retabel, auf dem zahlreiche Heilige zu sehen sind, stehen dann auch noch Kniebänke für den Empfang von Kelch und Hostie.
Das historische Kirchengebäude veranschaulich eine bemerkenswerte Tatsache. Luther war zwar überzeugt, dass Gottes Vergebung nicht vom Amt des Geistlichen abhängig war, er schätzte und empfahl aber trotzdem die Einzelbeichte, weil sie dem Sünder die Erfahrung der Befreiung und der Freude am Evangelium spüren lässt. Luther war außerdem, auch wenn er die Transsubstantiationslehre ablehnte, Vertreter eines "sakramentalen Realismus" - anders als andere Reformatoren. Ehrfurchtsgesten vor der Eucharistie waren für ihn selbstverständlich. So empfahl er, die Kommunion kniend und in den Mund zu empfangen.
Die verpflichtende Einzelbeichte vor dem Empfang des Abendmahls kam in der lutherischen Kirche erst im Laufe des 18. Jahrhunderts langsam außer Gebrauch. Der Kirchenhistoriker Jörg Lauster schreibt: "Das 18. Jahrhundert zog auf dem Feld der Liturgie größere Umwälzungen nach sich als die Reformation."
Was bedeutet das für die Ökumene?