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"Sacro Cuore del Suffragio" |
Im Internet tobt der Kulturkampf. Auf meiner Facebook-Timeline finde ich durchgestrichene Kürbisse. Und auf katholisch.de heißt es:
"Kirche warnt eindringlich vor Halloween". Zitiert wird der Sprecher der polnischen Bischofkonferenz. Dieser stellt fest, Halloween führe zu "Albträumen mit Gespenstern". Und überhaupt handle es sich um einen "heidnischen Brauch".
Dabei stimmt das gar nicht. Denn Halloween hat mit dem Glauben an die Armen Seelen zu tun, der im katholischen Europa noch vor gar nicht langer Zeit weit verbreitet war. Dieser Glaube hing mit der Lehre vom Fegefeuer zusammen: Die Seele wird nach dem Tod noch eine Zeit lang geläutert, bevor sie in die himmlische Seligkeit gelangt. Damit verband sich im Volksglauben die Überzeugung, die noch nicht ganz erlösten Seelen der Verstorbenen könnten den Lebenden erscheinen und sie erschrecken. An Allerheiligen und Allerseelen, wo die Kirche der Toten gedenkt, war natürlich der bevorzugte Termin, an dem sich auch die Armen Seelen bei den Hinterbliebenen meldeten.
Noch vor 80 Jahren ließ man in Bayern an diesen Tagen für die Verstorbenen etwas zu Essen übrig und steckte ein Licht an, um ihnen die Orientierung zu erleichtern. Auswanderer aus Irland, aber auch aus anderen katholischen Gegenden Europas, nahmen solche Bräuche mit in die Neue Welt. Was im Land des Kapitalismus damit geschah, wissen wir.
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Brandabdruck der Hand einer Armen Seele |
Hier in Rom gibt es einen kuriosen Ort, an dem Zeugnisse des Arme-Seelen-Glaubens besichtigt werden können. Vor einigen Jahren hatte ich darüber
in der Zeitung gelesen. Heute Nachmittag bin ich hingefahren. Am Tiberufer im Stadtteil Prati steht die Kirche "Sacro Cuore del Suffragio", die an sich schon sehenswert ist, weil sie in einem Stil gebaut ist, der sonst in Rom kaum vorkommt: der Neogotik. Geweiht wurde sie vor morgen genau 100 Jahren, am Allerheiligentag 1917. Ein französischer Priester, Victor Jouet, hatte Ende des 19. Jahrhunderts in Rom die "Vereinigung vom heiligsten Herzen Jesu zur Fürbitte für die armen Seelen im Fegefeuer" gegründet und begonnen, eine Kirche zu bauen. Während der Bauarbeiten brauch ein Feuer aus. Als der Brand gelöscht war, blieb auf einem Pfeiler etwas sichtbar, das Jouet als Umriss eines traurigen Gesichts deutete: die Manifestation einer Armen Seele! Daraufhin machte sich Jouet in Europa auf die Suche nach ähnlichen Phänomenen und stellte so eine Sammlung verschiedener Objekte zusammen, für die er neben der Kirche ein Fegefeuer-Museum einrichtete. Die Sammlung ist später stark reduziert worden, sodass es heute in einem Nebenraum der Sakristei nur noch eine kleine Vitrine zu sehen gibt. Darin: Gegenstände, auf denen die Armen Seelen mit ihren Fingern Brandabdrücke hinterlassen haben: Gebetbücher, Tischplatten, aber auch eine Nachtmütze.
Darunter ist ein deutschsprachiges Gebetbuch, passenderweise beim Messformular "für die Abgestorbenen" aufgeschlagen. Auf dem ausliegenden Informationsblatt heißt es dazu: "Ein Brandabdruck, den der verstorbene Josef Schitz hinterließ, indem er mit den 5 Fingern der rechten Hand das Gebetbuch seines Bruders Georg am 21. Dez. 1838 in Stralbe berührte. Der Verstorbene bat um Gebete für seine Seelenruhe und um Wiedergutmachung seiner Gleichgültigkeit im religiösen Leben."
In diesem Sinne: Happy Halloween.