Donnerstag, 27. September 2018

Zitiert werden

Das wünschen sich alle Journalisten: Zitiert zu werden, dass andere Medien die eigenen Texte aufgreifen, den eigenen Namen nennen. Man kommt sich relevant vor, gilt als Experte. Einerseits. Anderererseits hat man nicht in der Hand, von wem man zitiert wird und ob man überhaupt richtig zitiert wird. So kann aus einem eher trockenen Bericht ein reißerischer Report werden.
Ein bekanntes konservatives Internetportal aus Linz beispielsweise hat einen Text über Papst Franziskus und die Missbrauchskrise entdeckt, den ich für die Herder Korrespondenz geschrieben habe. Schaut man sich die Zusammenfassung meines Beitrages an, sieht man, wie sich die Darstellung der Sachverhalte und ihre Bewertungen leicht verschieben.
In meinem Artikel schreibe ich beispielsweise:
So ergibt sich ein ambivalentes Bild: Der Papst stellt sich dem Problem, ist auch imstande, durchzugreifen, trifft sich regelmäßig mit Missbrauchsopfern. Gleichzeitig schaut er in Einzelfällen weg und zeigt sich „beratungsresistent“. Zuletzt behauptete eine französische Fernsehdokumentation, Franziskus habe als Erzbischof von Buenos Aires versucht, die Justiz zu beeinflussen, um den pädophilen Priester Julio César Grassi zu schützen.
Die Kollegen machen daraus Folgendes:
Für die Herder-Korrespondenz ergibt sich daher ein sehr ambivalentes Bild von Franziskus im Missbrauch-Kontext. Dieser stelle sich zwar dem Problem, treffe sich regelmäßig mit Missbrauchsopfern und greife auch ab und zu durch. Gleichzeitig schaue er aber laut der Zeitung in Einzelfällen weg und zeige sich „beratungsresistent“. Leven erinnert auch an die französisch-deutsche Fernsehdokumentation, die nachgewiesen hat, dass Franziskus habe als Erzbischof von Buenos Aires versucht habe, die Justiz zu beeinflussen, um einen pädophilen Priester zu schützen.
Klingt erstmal so ähnlich. Aber wenn man genau hinschaut, entdeckt man die Veränderungen. Aus "ambivalentes Bild" wird "sehr ambivalentes Bild". Aus "stellt sich dem Problem" wird "stellt sich zwar dem Problem". Aus "ist auch imstande, durchzugreifen" wird "greife auch ab und zu durch". Und aus "behauptet" wird "nachgewiesen".
Das ist schade, denn in einem solchen Text wählt man seine Worte mit Bedacht - gerade, wenn es um ein so heikles Thema geht.

PS: Die von mir monierten Formulierungen wurden inzwischen geändert.

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