Donnerstag, 26. April 2018

Gegen eine Instrumentalisierung des Sonntags!

"Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt", heißt es in der Verfassung. Als Christ bin ich gegen diese Vereinnahmung des Sonntags durch den Staat. Denn für Christen bedeutet der Sonntag doch eigentlich etwas ganz anderes und viel mehr: Er ist der Tag, an dem wir Tod und Auferstehung Christi feiern. Ich möchte nicht, dass der heilige Tag der Christen auf geradezu blasphemische Weise für irgendwelche Erholungszwecke und eine unspezifische "geistige Erhebung" instrumentalisiert wird, die zudem diejenigen ausgrenzt, die sich an einem anderen Tag erholen wollen.

Mittwoch, 25. April 2018

Kirchenleute gegen Kreuze

In hoc signo vinces.
Das ist schon kurios. Die bayrisches Staatsregierung unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beschließt, dass hinfort in allen Dienststellen des Freistaats Bayern Kreuze aufgehängt werden sollen, und Kritik kommt von... Kirchenvertretern. Der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose schreibt in einem "offenen Brief" auf Facebook:
"Viele empfinden es zunehmend als eine Provokation und als Heuchelei, wie Sie über das Christentum öffentlich reden. In unserer Wahrnehmung wird das Christentum zunehmend von Ihnen dazu missbraucht, um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben. Über diese Entwicklung bin ich gemeinsam mit vielen anderen sehr besorgt. Ich bitte Sie eindringlich: Beenden Sie den Missbrauch des Christlichen und seiner Symbole als vermeintliches Bollwerk gegen den Islam."
 Der Bochumer Theologieprofessor Georg Essen ließ über Twitter wissen:
"Ich sage das jetzt mal als gläubiger Katholik und Theologe mit Kreuz im Arbeitszimmer: Für mich ist diese politische Instrumentalisierung durch Söder Blasphemie, theologisch eine Häresie und verfassungsrechtlich nur schwer erträglich."
Und der katholische Autor Andreas Püttmann teilte über den Kurznachrichtendienst mit:
"Ich freue mich über jedes Kreuz im öffentlichen Raum, als Botschaft selbstloser Liebe, höherer Gerechtigkeit, Leid und Tod überwindender Hoffnung, als Vermächtnis von Generationen. Als trotzig installierter Identitätsmarker, Kampfansage und Wahlkampfgag verliert es all das."
Laut der Staatsregierung ist das Kreuz "sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland". Söder bezeichnete es als "grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung". Es verstoße darum nicht gegen das Neutralitätsgebot.
Aufgrund dieser Aussagen heißt es nun, der Ministerpräsident instrumentalisiere das Kreuz, er missbrauche es gar als Signal von "Ausgrenzung". Das kann man ja so sehen. Aber trotzdem ist es doch merkwürdig, wenn Kirchenleute jetzt gegen mehr Kreuze in der Öffentlichkeit kämpfen.
Das Problem ist, dass die Kritiker selbst Gefahr laufen, das Kreuz politisch zu instrumentalisieren. Denn implizit sprechen sie den Politikern der CSU das Christsein ab. Der Subtext lautet: "Söder und die CSU stehen nicht für das, was wir unter Christentum verstehen, deswegen sind sie unglaubwürdig und haben kein Recht, sich auf das Kreuz zu beziehen. Das darf nur, wer unseren politischen Standpunkt vertritt." Pfarrer Hose ist übrigens Mitglied bei den Grünen.
Selbst, wenn man der begründeten Meinung ist, die CSU interpretiere das "C" irgendwie falsch, und man sich für eine andere Deutung des Christlichen stark macht, sollte man doch anerkennen, dass es nicht trivial ist, Christentum in Politik zu übersetzen und dass man da zu unterschiedlichen Schlüssen kommen kann.
Selbstverständlich ist das Kreuz für Christen viel mehr, als der Ausdruck einer kulturellen Identität und Bekenntnis zu Grundwerten. Es ist dies aber auch. Auch wer kein Christ ist, kann darin das Signal sehen, dass der Staat sich selbst nicht absolut setzt, indem er anerkennt, dass es über ihm Höheres und Unverfügbares gibt. Und er kann in ihm eine Information darüber erkennen, wovon Kultur, Gesellschaft und Staat hierzulande geprägt sind.
Kann man als Kirchenmensch wirklich gegen das Aufhängen von Kreuzen sein, nur weil die Initiative dafür von Markus Söder kommt? Was meinen Sie?

Freitag, 13. April 2018

Liturgie, Nächstenliebe und dieses verrückte Internet

Damit muss man zurechtkommen. Ich habe vor zwei Tagen zum ersten Mal einen "Standpunkt" auf katholisch.de geschrieben. Kurzfristig sollte ich für einen Kollegen einspringen, hatte einen Nachmittag Zeit und den Auftrag, zum gerade erschienen Papst-Schreiben "Gaudete et exsultate" über Heiligkeit einen Kommentar von 2.000 Zeichen zu tippen. Normalerweise arbeite ich für eine Monatszeitschrift, da hat man 10.000 Zeichen und mehr und kann zur Not wochenlang darüber nachdenken, was man schreiben will. Wieder Wochen später hört man dann vielleicht von jemandem, der das "ganz interessant" gefunden hat.
Anders bei einem Internetportal mit Hunderttausenden Visits im Monat. Morgens um Sieben ist die erste Nachricht auf meinem Mobiltelefon (lobend!), kurze Zeit später höre ich von Leuten, die sich wegen meines Standpunkts Sorgen um mich machen. Über Facebook kommen Hinweise auf Auslassungen und Interpretationsfehler, man moniert mangelnden Respekt gegenüber den Worten des Heiligen Vaters, zwischendurch erreichen mich auch immer wieder Nachrichten der Zustimmung und des Dankes. Auf der Facebook-Seite von katholisch.de schreibt jemand, dass Menschen wie ich die Leute von der Kirche wegtreiben. Meine Güte. Ich frage mich, ob die Kollegen von katholisch.de sich das alles durchlesen.
In dem Text hatte ich geschrieben, dass mir im Dokument des Papstes die Liturgie zu kurz kommt. Denn für das Zweite Vatikanische Konzil spielt der Gottesdienst die entscheidende Rolle für die Heiligung des Menschen (Sacrosanctum Concilium) bzw. die Berufung aller Christen zur Heiligkeit (Lumen Gentium).
"Gaudete et exsultate" betont dagegen stark die Bedeutung der aktiven Nächstenliebe. Dabei hängen Gottesdienst (Liturgia) und Dienst am Nächsten (Diakonia) eng miteinander zusammen. Irgendwie schien mir dieser Zusammenhang in dem Papier nicht wirklich klar zu werden. Statt dessen warnt der Papst in seiner langen Liste von Verurteilungen vor den selbstgerechten "Neopelagianern", die mit ihrer ostentativen Liturgiepflege auf dem Holzweg sind. Das fand ich nicht fair, weil ich meine, dass viel zu viele Gottesdienste einfach nur lieblos und wurschtig gefeiert werden und ein bisschen mehr Sorge um die Liturgie durchaus angemessen wäre.
Dass das Stichwort "Liturgie" nur in dieser Passage des Dokumentes vorkommt, finde ich schon bezeichnend. Das Thema freilich ist durchaus an verschiedenen Stellen präsent - aber meines Erachtens eben nicht den entscheidenden. Ein Beispiel: Die Feier der Messe wird in dem Schreiben in der Tat erwähnt, nämlich dort, wo es um den geistigen Kampf gegen den Satan geht. "Das Leben des Christen ist ein ständiger Kampf" heißt es da - und zwar gegen den Teufel, der uns davon abhalten will, heilig zu werden. Den Teufel darf man sich laut Franziskus nicht allzu symbolisch vorstellen. Es handelt sich vielmehr um ein "personales Wesen", "das uns bedrängt". In diesem Kampf gibt es für Franziskus verschiedene Waffen - und zu diesen Waffen gehört auch die Eucharistie:
"Für den Kampf haben wir die wirksamen Waffen, die der Herr uns gibt: der im Gebet zum Ausdruck gebrachte Glaube, die Betrachtung des Wortes Gottes, die Feier der heiligen Messe, die eucharistische Anbetung, das Sakrament der Versöhnung, die guten Werke, das Gemeinschaftsleben, der missionarische Einsatz."
Es mag ja sein, dass man die Liturgie auch als Waffe gegen den Teufel verstehen kann, aber sie ist ja doch vor allem und zuerst "Quelle und Höhepunkt" des ganzen kirchlichen Lebens, wie das Konzil lehrt.
Ist es in Ordnung, diese Beobachtungen zur Diskussion zu stellen? Es ist ja bemerkenswert, dass es überhaupt noch Leute gibt, die von Lehrschreiben des Papstes zu Debatten und Reflexionen angeregt werden. Die Frage ist, ob die Kommentarfunktion auf Websites und sozialen Netzwerken der einzige Ort sein sollten, an dem kirchliche und gesellschaftliche Diskussionen geführt werden. Ich finde nicht, denn vieles bleibt hier oberflächlich, auch aggressiv und polarisierend. Deswegen ist es ganz gut, dass es auch Monatszeitschriften gibt, die mehr Platz und mehr Zeit für Reflexionen bieten.
PS: Das findet der Papst übrigens auch. In Nr. 115 von "Gaudete et exsultate" schreibt er:
"Auch Christen können über das Internet und die verschiedenen Foren und Räume des digitalen Austausches Teil von Netzwerken verbaler Gewalt werden. Sogar in katholischen Medien können die Grenzen überschritten werden; oft bürgern sich Verleumdung und üble Nachrede ein, und jegliche Ethik und jeglicher Respekt vor dem Ansehen anderer scheinen außen vor zu bleiben. So entsteht ein gefährlicher Dualismus, weil in diesen Netzwerken Dinge gesagt werden, die im öffentlichen Leben nicht tolerierbar wären, und man versucht, im wütenden Abladen von Rachegelüsten die eigene Unzufriedenheit zu kompensieren."

Mittwoch, 11. April 2018

Nachdenken über Führungspersönlichkeiten mit überraschendem Ausgang

Mose und Heiner Wilmer
Es ist ein Buch über eine Führungspersönlichkeit. Kein Manager-Ratgeber, sondern ein religiöses Buch. Es geht um Mose, wenn man so will die "Führungfigur" im alten Testament. Geschrieben hat der Werk mit dem Titel "Hunger nach Freiheit. Mose - Wüstenlektionen zum Aufbrechen" Pater Heiner Wilmer, der bislang als Generaloberer der Herz-Jesu-Priester in Rom gearbeitet hat. So war die Idee entstanden, das Mose-Buch vor der berühmten Mose-Statue von Michelangelo in der römischen Kirche San Pietro in Vincoli zu präsentieren. Die Veranstaltung am Montag der Karwoche war sehr gut besucht. Was keiner der Teilnehmer ahnen konnte: Ein paar Tage nach Ostern ernannte ihn Papst Franziskus zum Bischof von Hildesheim. Nun kann er zeigen, was er von Mose in Sachen "Das Volk Gottes führen" gelernt hat. Bei der Buchvorstellung in Rom sagte Wilmer:
"Eine Führungspersönlichkeit ist jemand, der Menschen befähigt, etwas zu tun, das sie nie tun würden, wenn man es ihnen befiehlt."
Annette Schavan und Mose
Vorgestellt wurde das Buch von Annette Schavan, die (noch) als Botschafterin der Bundesrepublik beim Heiligen Stuhl in Rom tätig ist. Sie hatte San Pietro in Vincoli schon mehrfach als ihren Lieblingsort in Rom bezeichnet. 2016 erzählte sie meiner Kollegin Claudia Keller, die damals noch beim Tagesspiegel war:
"Da sitzt der weise Führer, der sein Volk durch die Wüste bringt – und muss mit ansehen, wie dieses Volk ums goldene Kalb tanzt. Man sieht ihm das Entsetzen an, doch er bleibt äußerlich ganz ruhig." 
Eine Choralschola des Pontificio Istituto di Musica Sacra sang dazu zwei gregorianische Gesänge: Das Canticum "Cantemus Domino" aus Exodus 15, das in der Osternacht gesungen wird, und das Offertorium "Precatus est Moyses" aus Exodus 32. In "Precatus est Moyses" heißt es:
"Mose betete vor dem Angesicht des Herrn, seines Gottes, und sprach: Warum, Herr, zürnst du gegen dein Volk? Mäßige den Zorn deines Herzens."

Und in "Cantemus Domino" hören wir Mose nach dem Durchzug durch das Rote Meer singen:
"Ich singe dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben. Ross und Reiter warf er ins Meer."
Lernen von Chorälen
Man könnte also sagen: Eine Führungspersönlichkeit, zumal ein Bischof, die sich an Mose orientiert, vertraut nicht auf ihre eigenen Kräfte. Es ist der Herr, der das Volk aus Ägypten und das Rote Meer geführt hat. Dafür singt Mose ihm Lob. Und er betet für das Volk. In diesem Sinne, lieber Pater Wilmer: Guten Start als Bischof in Hildesheim!