Freitag, 24. März 2017

Religion und Menschenrechte

Botschafterin Annette Schavan
Hier in Rom ist gerade Tagungssaison. So treffen sich Deutschen Historischen Institut derzeit deutschsprachige Theologen und Historiker, um über "Menschenrechte in der katholischen Kirche" zu diskutieren.
Annette Schavan, deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, hatte gestern im Rahmen dieser Tagung zu einem Abendvortrag in ihre Residenz eingeladen. Heiner Bielefeldt, Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik in Erlangen und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, widmete sich aber nicht der Frage, wie der Menschenrechtsgedanke in der katholischen Kirche rezipiert worden ist, sondern sprach über das grundsätzliche Verhältnis von Religionsgemeinschaften und Menschenrechten.
Bielefeldt machte dabei drei typische Konfigurationen aus: Postulierte Harmonie, kulturkämpferische Polarisierung und selektive Akzeptanzen. Diese jeweiligen Haltungen existierten jeweils auf beiden Seiten: Bei den Religionsgemeinschaften wie in der human rights community.

Prof. Dr. Heiner Bielefeldt
Postulierte Harmonie: Sowohl aufseiten der Religionsvertreter als auch aufseiten der Menschenrechtler werde gelegentlich behauptet, dass Religionen und Menschenrechte im Grunde das Gleiche meinen und im Wesentlichen übereinstimmen. Die Vertreter einer solchen Position, so meinte Bielefeldt, machten sich nicht die Mühe, die nötigen "hermeneutischen Leistungen" zu erbringen.
Kulturkämpferische Polarisierung: Genauso gebe es aber auch Positionen auf beiden Seiten, die eine grundsätzliche Unvereinbarkeit zwischen Religionen und Menschenrechten behaupteten: So seien etwa Anhänger eines säkularistischen Humanismus der Überzeugung, dass Menschenrechte am Ende nur ohne Religionen zu haben sind.
Selektive Akzeptanzen: Manche Vertreter schließlich seien jeweils nur bereit, gewisse Aspekte der anderen Seite zu akzeptieren. So würden einige Menschenrechtsaktivisten die Religionen selektiv auslegen und sich etwa Passagen aus heiligen Schriften heraussuchen, die das eigene Anliegen unterstützen (etwa die berühmte Koranpassage "Es ist kein Zwang in der Religion"). Ebenso existierten Religionsvertreter, die für sie problematische Aspekte der Menschenrechte einfach ausblendeten.
Wie schwer beides im konkreten Fall in Übereinstimmung zu bringen ist, und wie komplex die dafür notwendigen "hermeneutischen Leistungen" sein können, klang in dem Vortrag nur kurz an. Ein Blick auf das weitere Programm der Tagung zeigt, dass sich die katholischen Theologen noch mit "Geschlechtergerechtigkeit und sexueller Selbstbestimmung" beschäftigen wollen. Bei den entsprechenden hermeneutischen Bemühungen kann man nur viel Erfolg wünschen...


Freitag, 17. März 2017

Der Papst und andere Hoheiten

Gestern Abend haben wir in der Bibliothek des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell'Anima das neue Buch "Der Papst - Sendung und Auftrag" von Kardinal Gerhard Ludwig Müller vorgestellt. Die "Anima" beherbergt ein Priesterkolleg, die deutschsprachige Pfarr- und Pilgerseelsorge und eine Bruderschaft und hat eine schöne Bibliothek, die sich hervorragend für Buchvorstellungen eignet, weil später auf jedem Foto im Hintergrund Bücher zu sehen sind.
Die Präsentation übernahm der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, der im Vatikan für die Ökumene zuständig ist. Koch würdigte Müllers Buch als "perspektivenreiche Mischung von historischen und theologischen Aussagen über das einzigartige Amt des Papstes, eingehenden Analysen von päpstlichen Lehrschreiben und zahlreichen Kommentierungen der Situation des Glaubens und der Kirche heute“. Koch sprach außerdem über die Rolle der Päpste als Hindernis, aber auch als Förderer der Ökumene.

Kardinal Müller kritisierte in seinen Dankesworten den berühmten "antirömischen Affekt" genauso wie sein Gegenstück, einen übertriebenen "Papalismus". Die Veranstaltung war gut besucht. Unter den Gästen befanden sich mehrere Botschafter. Die verschiedenen Länder haben in Rom nämlich nicht nur Botschaften bei der Republik Italien, sondern auch beim Heiligen Stuhl. Neben der deutschen Botschafterin Annette Schavan, die mit zu der Veranstaltung eingeladen hatte, waren auch ihre Kollegen aus Österreich und Ungarn gekommen, Botschafter Dr. Alfons Kloss und Botschafter Dr. Eduard Habsburg-Lothringen.
Der ungarische Botschafter ist ein richtiger Erzherzog, den ich wohl mit "kaiserliche und königliche Hoheit" hätte ansprechen müssen. Er hört aber auch auf "Exzellenz".
Die Fraktion des Hochadels wurde verstärkt durch Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die beim anschließenden Empfang den Herder-Büchertisch abräumte und sich zwölf Exemplare des sechshunderseitigen Opus von Kardinal Müller sicherte. Erste Berichte über die Veranstaltung gibt es bei katholisch.de und Radio Vatikan.

Mittwoch, 15. März 2017

Raub der Europa

In der großartigen Galleria Colonna, der privaten Kunstsammlung der römischen Adelsfamilie Colonna, die ihren Palazzo am Fuße des Quirinal seit fünfzehn Generationen bewohnt, hängt ein barocker "Raub der Europa" von Francesco Albani (1578-1660). Europa sitzt auf dem Rücken des als Stier getarnten Zeus, am Ufer bleiben ihre Gefährtinnen zurück. Eine von ihnen hebt erschrocken die Arme.  Europa hat dem Stier einen Blumenkranz gewunden. Putten breiten von oben ein rotes Tuch über beide. Der Stier ist schneeweiß und seine Hörner sind kaum zu erkennen. Eigentlich sieht er mehr aus, wie eine milde Kuh. Mit seinem einen, großen, feuchten rätselhaften Auge blickt er den Betrachter aus dem Bild heraus an, während er mit der fröhlich Geraubten über das Mittelmeer davonschwimmt. Man kann die Galleria Colonna jeden Samstagvormittag besichtigen. Der Eingang ist in der Via della Pilotta, 17.

Dienstag, 14. März 2017

Ist der Papst ein Monarch?

Im Jahr 1817 schrieb Joseph de Maistre, der sowohl als Philosoph der Gegenaufklärung, wie als Vordenker der modernen Soziologie gilt, seine Abhandlung "Vom Papste". Als Apologet der monarchischem Herrschaftsform interessierte sich de Maistre für die göttlich legitimierte Autorität des Papstes in der Kirche. Dabei fällt auf, dass es für de Maistre im Grunde keinen Unterschied zwischen dem Lehr- und dem Jurisdiktionsprimat des Papstes gibt. In jedem Fall ist die Letztentscheidung des Papstes bindend. Gegen sie gibt es keinen Appell: "Mag man es anfangen, wie man nur immer wolle: man mag dieser hohen Gerichtsgewalt jeden beliebigen Namen geben; allemal muss Einer sein, dem nicht gesagt werden kann: Du hast geirrt" (de Maistre I, 24). Die Regierung der Kirche ist für den Denker der Reaktion "notwendig monarchisch" (28). Daraus ergibt sich für de Maistre unmittelbar die Unfehlbarkeit des Papstes:

"Ist die monarchische Form einmal festgestellt, so ist die Unfehlbarkeit nichts weiter, denn eine notwendige Folge der Suprematie, oder ist es vielmehr genau dieselbe Sache unter zwei verschiedenen Namen. (…) Wer das Recht hätte, dem Papste zu sagen, dass er sich geirrt, hätte aus demselben Grunde auch das Recht, ihm den Gehorsam zu verweigern: und hiermit wäre die Suprematie (oder Unfehlbarkeit) vernichtet" (28 f.).
Genau 200 Jahre später veröffentlicht der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller ein ähnlich umfangreiches Werk mit einem ähnlichen Titel: „Der Papst. Sendung und Auftrag“. In der Zwischenzeit hat das Erste Vatikanische Konzil mit seiner dogmatischen Konstitution „Pastor aeternus“ 1870 die päpstliche Unfehlbarkeit dogmatisiert. Kardinal Müller verteidigt dieses Dogma, stellt aber mehrfach fest: "Der päpstliche Primat hat grundsätzlich nichts mit einer monarchischen oder sonstigen Form von Machtausübung zu tun" (Müller, 514). Dementsprechend sagt Müller über die Kirche und ihre Organisationsform:

"Sie ist weder nach dem Prinzip der Einheit eine Mon-archie, noch nach dem Prinzip der Vielheit eine Olig-archie oder nach dem Prinzip der Allheit eine Demo-kratie. Als natürliche Analogien kommen infrage vielmehr die Familie, die von Gott gestiftet ist, oder das Volk, das als gewachsener Generationenverband von Menschen und besonders im Falle Israels von Gott berufen und zu seinem Volk erschaffen wird. Sie ist als Leib die lebendige und lebendigmachende Verbindung zwischen Christus als Haupt und den einzelnen Christen als Gliedern dieser Lebenseinheit. Die beste Orientierung geben die biblischen Bilder von der Kirche: Schafstall und Herde Christi, Gottes Pflanzung und Ackerfeld, Weinberg des Herrn, Gottes Haus, Tempel und Bauwerk. Die Kirche ist unsere Mutter, die Braut Christi (vgl. LG 6)" (329).
Theologisch lässt sich natürlich behaupten, die Kirche habe nichts mit weltlichen Formen der Machtausübung zu tun. Das wird die Soziologie und die Rechtswissenschaft nicht davon abhalten, die Verteilung und Handhabung der Macht in der Kirche aus ihrer Perspektive zu betrachten. Im Falle des regierenden Papstes wäre wohl festzustellen, dass er sich den Möglichkeiten seines Jurisdiktionsprimats sehr bewusst ist und gezielt von ihnen Gebrauch macht.

Am Donnerstag stellt Kardinal Kurt Koch hier in Rom das neue Buch von Kardinal Müller vor.