Donnerstag, 30. November 2017

Die Kirche versteht nichts von Wirtschaft...

Jesuiten waren schon immer modern.
...das war aber nicht immer so. Wenn Papst Franziskus oder manche Bischöfe über ökonomische Fragen sprechen, dann rollen die Experten mit den Augen. Gelegentlich hat man den Eindruck, als ob für den Papst alles, was mit Geld zu tun hat, per se moralisch verdächtig ist. Das kann selbst für Freunde des Papstes in der Kurie, die "um eine Optimierung der päpstlichen Haushalte zur Unterstützung der humanitären und pastoralen Aufgaben der Kirche bemüht sind, demotivierend sein", wie der Politikwissenschaftler Ralf Rotte in der neuen Ausgabe der Herder Korrespondenz schreibt.
Dabei haben Theologen aus Franziskus' eigenem Orden, den Jesuiten, im 16. und 17. Jahrhundert entscheidend zur Entwicklung des ökonomischen Denkens beigetragen. Darum ging es gestern in Rom bei einer Tagung des wirtschaftsliberalen Acton Institute in der Jesuitenuniversität Gregoriana.
Dies geschah nach der "Kommerziellen Revolution" des Spätmittelalters, wie Samuel Gregg, Forschungsdirektor des Instituts, erklärte. Damals wuchs die Bevölkerung an, die Landwirtschaft entwickelte sich, neue Produkte entstanden. Europa kam über die reine Subsistenzwirtschaft hinaus. Die Unternehmer erwirtschafteten Überschüsse und konnten investieren. Ein Handel mit Geld und Krediten entwickelte sich, es entstand erstmals so etwas wie ein internationaler Kapitalmarkt.
In der frühen Neuzeit bildeten sich dann neue Handelswege aus, neue wirtschaftliche Kontakte nach Asien, Afrika und natürlich in das gerade entdeckte Amerika. Die Händler und Bankiers hatten als gute Christen ein Bedürfnis nach Seelsorge. Sie hofften auf den Himmel und fürchteten die Hölle. Darum wollten sie wissen, welche ihrer wirtschaftlichen Handlungen moralisch legitim und welche verwerflich waren. Sie stellten Fragen im Beichtgespräch. Das brachte vor allem die Moraltheologen dazu, sich mit wirtschaftlichen Fragen zu beschäftigen. Dabei wurden ganz nebenbei erstmals grundlegende ökonomische Theoreme formuliert, etwa die Quantitätstheorie des Geldes.
Zu den Jesuiten, die als Moraltheologen zu Vorläufern der modernen Wirtschaftswissenschaft wurden, gehörten etwa Luis de Molina, Juan de Mariana oder Leonhardus Lessius. Jesuiten waren von Anfang an Teil der portugiesischen und spanischen Expansion in andere Kontinente. Sie profitierten von den neuen Routen, kritisierten aber auch Praktiken, die sie für ungerecht hielten. Es war allerdings ein Dominikaner, Bartolomé de las Casas, der in seiner Beschäftigung mit dem Schicksal der amerikanischen Ureinwohner erstmals den Gedanken von "derechos humanos" - Menschenrechten - formulierte.
Der belgische Rechtshistoriker Wim Decock verwies auf die Methodologie der jesuitischen Moraltheologen. Sie waren nämlich überzeugt, dass es nötig sei, den Gegenstand erst genau zu kennen, bevor man ein moralisches Urteil über ihn abgibt. Leonhardus Lessius etwa begab sich nach Antwerpen, damals wie heute ein wichtiges Handelszentrum, um die Funktionsweise von Bankenwesen und Handel zu verstehen. Decock fasste das unter dem Motto "Knowing before Judging" zusammen. Aus diesem Grund wurden sie zu den ersten Wirtschaftsexperten ihrer Zeit. Heute, so Decock, mache es sich die Kirche in ihren moralischen Urteilen über wirtschaftliche Fragen oft zu leicht.
Ob die Botschaft ankommt?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen