Ich habe kurz nach der Pariser Konferenz ein Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Ottmar Edenhofer geführt. Der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung war in den Achtziger- und Neunzigerjahre Mitglied des Jesuitenordens - und seine theologische Prägung ist ihm immer noch anzumerken. Er erklärte mir damals, warum es so schwer für die Menschen ist, die Realität des Klimawandels zu akzeptieren:
"Der moderne Mensch hat, wie Freud sagt, drei narzisstische Kränkungen zu verkraften. Durch Kopernikus hat er lernen müssen, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Darwin hat ihm vor Augen geführt, dass er Teil der biologischen Evolution ist, in der der Stärkste überlebt, der Mensch aber nicht mehr das Ziel der Evolution ist. Und Freud hat ihm nach seinem eigenen Selbstverständnis klargemacht, dass er durch unbewusste Impulse gesteuert ist. Diese schränken seine Freiheit empfindlich ein, weil er auf das Unbewusste keinen unmittelbaren Zugriff hat. Und genau dieser Mensch, der diese narzisstischen Kränkungen ertragen musste, sieht sich in der Moderne nun mit einem Machtzuwachs konfrontiert, der in der Kulturgeschichte beispiellos ist."Auf die Frage, worin dieser beispiellose Machtzuwachs besteht, antwortete er:
"Die Atombombe hat uns eine erste Ahnung vermittelt, wir könnten uns selber auslöschen. Und nun greifen wir in den bio-geo-chemischen Kreislauf des Planeten mit einer Intensität und Geschwindigkeit ein, die ihn auf irreversible Weise verändern und das Habitat des Menschen zerstören können. Aber gerade narzisstisch gekränkte Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Macht überhaupt wahrzunehmen. Kollektiv befinden wir uns in der Situation von Halbstarken. Jetzt müssen wir lernen, diesem Machtzuwachs wahrzunehmen und damit umzugehen."Halbstarke, die lernen müssen, mit ihrem Machtzuwachs umzugehen... It rings a bell. für Edenhofer ist es nun jedenfalls entscheidend, dem Fortschritt nicht dem Rücken zu kehren, aber ihm eine neue Richtung zu geben:
"Guardini beschreibt, wie die neuzeitliche Wissenschaft dem Menschen neue Möglichkeiten der Macht zugespielt hat, der moderne Mensch aber diesen Machtzuwachs verdrängt. Verleugnet der Mensch seinen Machtzuwachs, dann ist er dazu verdammt, die technische Entwicklung nicht gestalten zu können, sondern als "naturwüchsig" zu erleiden. Es geht aber gerade angesichts des Klimawandels darum, dass wir dem technischen Fortschritt eine neue Richtung geben, nicht darum, dass wir uns von der Technik verabschieden. Entscheidungen über die Fragen der Energienutzung, des Managements des Kohlenstoffkreislaufs oder der Gentechnik sind eben nicht nur technische, es sind immer auch ethische Fragen. Technischer Fortschritt ist nur dann ein Fortschritt, wenn daraus ein Zuwachs an Freiheit und Gerechtigkeit möglich wird."Mit dem Halbstarken im Weißen Haus wird das nicht möglich sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen