Montag, 16. Oktober 2017

Liturgie: Schluss mit den Erklärungen!

Gerade ist der Band "Liturgie und Glaube" erschienen, den ich zusammen mit dem Stephan Wahle beim Deutschen Liturgischen Institut herausgegeben habe. Darin geht es um die Frage: Der Gottesdienst der katholischen Kirche und die persönlichen Glaubensüberzeugungen - wie geht das eigentlich noch zusammen?
Die Liturgie ist vielfach der einzige Ort, an dem Menschen heute mit dem Christentum und seiner Lehre in Berührung kommen. Das wissen auch viele Geistliche - und nutzen deshalb bei Taufen, Hochzeiten, Firmungen und auch im Sonntagsgottesdienst jede Gelegenheit, das, was gerade geschieht, zu erklären und plausibel zu machen. Der Liturgiewissenschaft und Augustinerbruder Christian Rentsch schreibt dazu in seinem Beitrag für unseren Band:
"Die Liturgie selbst hat eine persuasive Strategie, die freilich völlig anders gelagert ist als die der Plausibilisierung. Sie will den Glauben der Gläubigen stärken, indem sie sie den Glauben praktizieren lässt. Das primäre Mittel der Integration der Gemeinde in die Liturgie und ihre Ordnung ist hier nicht die argumentative Rede zur Gemeinde, sondern der Vollzug der Liturgie durch die Gemeinde selbst."
Ich glaube, Christian Rentsch hat recht. Nur scheint das völlig der Intuition der meisten Geistlichen entgegenzustehen. Man traut dem Ritual einfach nicht. Stattdessen baut man Erklärungen ein, versucht sich oft auch an Anpassungen und Vereinfachungen, die aber meist das Gegenteil von dem erreichen, was sie beabsichtigen. Der Religionswissenschaftler Johann Evangelist Hafner hat mir in einem Interview für "Gottesdienst" einmal gesagt:
"Rituale wollen gerade nicht erklärt werden, sondern Rituale unterliegen, religionswissenschaftlich gesehen, einem 'Latenzschutz'. Das heißt: Etwas gilt gerade deshalb, weil es nicht erklärt wird. Das ist der Fall bei wichtigen Gesten, die wir in ganz basalen Zusammenhängen verwenden, etwa in der Liebe. Wenn wir jemanden mögen, dann ist es geradezu kontraintentional, zu sagen: 'Liebst du mich auch?'. Wer das zu oft macht, der erreicht das Gegenteil, nämlich dass der Partner argwöhnisch wird. Die Liebe vollzieht sich vielmehr, wenn man Vertrautheit lebt, nicht indem man sie ständig thematisiert."
Das Buch geht auf die Trierer Sommerakademie 2016 zurück und enthält Beiträge von Michael N. Ebertz, Andreas Bieringer, Franz Karl Praßl und vielen weiteren Autoren. Man kann es beim Deutschen Liturgischen Institut bestellen.

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