Dienstag, 14. März 2017

Ist der Papst ein Monarch?

Im Jahr 1817 schrieb Joseph de Maistre, der sowohl als Philosoph der Gegenaufklärung, wie als Vordenker der modernen Soziologie gilt, seine Abhandlung "Vom Papste". Als Apologet der monarchischem Herrschaftsform interessierte sich de Maistre für die göttlich legitimierte Autorität des Papstes in der Kirche. Dabei fällt auf, dass es für de Maistre im Grunde keinen Unterschied zwischen dem Lehr- und dem Jurisdiktionsprimat des Papstes gibt. In jedem Fall ist die Letztentscheidung des Papstes bindend. Gegen sie gibt es keinen Appell: "Mag man es anfangen, wie man nur immer wolle: man mag dieser hohen Gerichtsgewalt jeden beliebigen Namen geben; allemal muss Einer sein, dem nicht gesagt werden kann: Du hast geirrt" (de Maistre I, 24). Die Regierung der Kirche ist für den Denker der Reaktion "notwendig monarchisch" (28). Daraus ergibt sich für de Maistre unmittelbar die Unfehlbarkeit des Papstes:

"Ist die monarchische Form einmal festgestellt, so ist die Unfehlbarkeit nichts weiter, denn eine notwendige Folge der Suprematie, oder ist es vielmehr genau dieselbe Sache unter zwei verschiedenen Namen. (…) Wer das Recht hätte, dem Papste zu sagen, dass er sich geirrt, hätte aus demselben Grunde auch das Recht, ihm den Gehorsam zu verweigern: und hiermit wäre die Suprematie (oder Unfehlbarkeit) vernichtet" (28 f.).
Genau 200 Jahre später veröffentlicht der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller ein ähnlich umfangreiches Werk mit einem ähnlichen Titel: „Der Papst. Sendung und Auftrag“. In der Zwischenzeit hat das Erste Vatikanische Konzil mit seiner dogmatischen Konstitution „Pastor aeternus“ 1870 die päpstliche Unfehlbarkeit dogmatisiert. Kardinal Müller verteidigt dieses Dogma, stellt aber mehrfach fest: "Der päpstliche Primat hat grundsätzlich nichts mit einer monarchischen oder sonstigen Form von Machtausübung zu tun" (Müller, 514). Dementsprechend sagt Müller über die Kirche und ihre Organisationsform:

"Sie ist weder nach dem Prinzip der Einheit eine Mon-archie, noch nach dem Prinzip der Vielheit eine Olig-archie oder nach dem Prinzip der Allheit eine Demo-kratie. Als natürliche Analogien kommen infrage vielmehr die Familie, die von Gott gestiftet ist, oder das Volk, das als gewachsener Generationenverband von Menschen und besonders im Falle Israels von Gott berufen und zu seinem Volk erschaffen wird. Sie ist als Leib die lebendige und lebendigmachende Verbindung zwischen Christus als Haupt und den einzelnen Christen als Gliedern dieser Lebenseinheit. Die beste Orientierung geben die biblischen Bilder von der Kirche: Schafstall und Herde Christi, Gottes Pflanzung und Ackerfeld, Weinberg des Herrn, Gottes Haus, Tempel und Bauwerk. Die Kirche ist unsere Mutter, die Braut Christi (vgl. LG 6)" (329).
Theologisch lässt sich natürlich behaupten, die Kirche habe nichts mit weltlichen Formen der Machtausübung zu tun. Das wird die Soziologie und die Rechtswissenschaft nicht davon abhalten, die Verteilung und Handhabung der Macht in der Kirche aus ihrer Perspektive zu betrachten. Im Falle des regierenden Papstes wäre wohl festzustellen, dass er sich den Möglichkeiten seines Jurisdiktionsprimats sehr bewusst ist und gezielt von ihnen Gebrauch macht.

Am Donnerstag stellt Kardinal Kurt Koch hier in Rom das neue Buch von Kardinal Müller vor.

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