Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit, in Rom Großscheich Ahmad Muhammad Al-Tayyeb zu interviewen. Das Gespräch ist soeben in der Februar-Ausgabe der Herder Korrespondenz erschienen. Der Scheich ist eine der wichtigsten Autoritäten im sunnitischen Islam, denn er ist der Leiter der Al-Azhar. Dabei handelt es sich um eine Institution, die vom ägyptischen Staat unterhalten wird; sie umfasst die "Akademie für islamische Untersuchungen", also ein sunnitisches Gelehrtengremium, die gleichnamige Moschee sowie eine riesige Universität mit hunderttausenden von Studenten und Standorten in ganz Ägypten.
Ich habe lange zittern müssen, ob das Gespräch wirklich zustande kommt. Geholfen haben die Mitarbeiter der Gemeinschaft Sant'Egidio in Rom. Hier nahm Al-Tayyeb an einer Dialogveranstaltung teil, die Sant'Egidio in Kooperation mit "missio" veranstaltete. Nach längerem Hin und Her erfuhr ich schließlich per SMS Treffpunkt und Uhrzeit. Ich musste dann noch einen Dolmetscher organisieren und traf den Scheich - samt Entourage - in der Lobby eines römischen Hotels.
Offizielle Vertreter des Islam werden hierzulande fast nur zum Thema Terrorismus befragt und geraten dadurch von Anfang an in eine Verteidigungshaltung. Die Interviews haben dadurch meist etwas ziemlich Gereiztes. Ich habe einen anderen Einstieg versucht und den Scheich auf den Atheismus angesprochen. Meine Frage: Wie sollte man einem Nichtgläubigen gegenüber von Gott sprechen? Der Scheich hat dann verschiedene Wege der natürlichen Gotteserkenntnis angerissen, die bemerkenswerterweise genau die gleichen sind, die auch die christlichen Philosophen der Scholastik verwendet haben.
Der Glaube, so der Scheich, ist im Menschen quasi instinktiv eingegeben, wie ein Same, der "aufgehen und wachsen" muss. Bleibt der Mensch von störenden Einflüssen unberührt, kommt er ganz von selbst auf den Gottesgedanken, er ist von sich aus in der Lage, Gott mit den Mitteln der Vernunft zu erkennen. Der Unglaube und der Atheismus sind für Al-Tayyeb das Ergebnis "eines intellektuellen und kulturellen Umfeldes, das die Religion verdunkelt". Diesen Schleier gilt es, wegzuziehen. So lehrt es im Übrigen auch das Erste Vatikanische Konzil.
Erst im Anschluss an diese Gedanken habe ich das Gespräch dann auf das Thema der Gewalt gelenkt und den Scheich gefragt, woher wir denn wissen, dass Gott nicht vielleicht wirklich wünscht, dass wir seinen Willen in der Welt mit Gewalt durchsetzen...
Montag, 29. Januar 2018
Montag, 22. Januar 2018
Die Heilige Agnes, ein arbeitsloser Kardinal, ein Seitenhieb gegen die Liturgiereform und ein scheuer Präfekt
Gestern war der Festtag der Heiligen Agnes, die im 3. Jahrhundert lebte und im Alter von zwölf Jahren das Martyrium erlitten haben soll. Die Kirche Sant'Agnese in Agone an der Piazza Navona in Rom ist die Titelkirche von Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Der Kardinal (der seit Juli 2017 nicht mehr Präfekt der Glaubenskongregation ist, und damit sozusagen "arbeitslos") konnte am 31. Dezember seinen 70. Geburtstag feiern. Gestern wurde dieser Anlass mit einer Heiligen Messe und einem anschließenden Festakt im deutschsprachigen Kolleg "Santa Maria dell'Anima" begangen - unter prominenter Beteiligung. Gesichtet wurden unter anderem die Kardinäle Brandmüller, Cordes, Kasper, Ravasi, Sarah und viele weitere.
Im Verlag Herder ist eine Festschrift für Kardinal Müller erschienen, die bei dieser Gelegenheit von den Herausgebern überreicht wurde. Das Thema des Bandes ist die Dreifaltigkeit und der Glaube an sie im "säkularen Zeitalter." Darin finden sich Beiträge von 36 Autoren, darunter auch ein Grußwort von Benedikt XVI. Der emeritierte Papst schreibt, es brauche für das Amt des Präfekten ein "Miteinander von fachlicher Kenntnis und Weisheit". Dann folgt - in diesem Zusammenhang überraschend - ein Seitenhieb gegen die Väter der nachkonziliaren Liturgiereform: "Ich denke zum Beispiel, dass in der Liturgie-Reform einiges anders ausgefallen wäre, wenn man nicht das Wort der Fachleute als letzte Instanz hätte gelten lassen, sondern darüber hinaus noch eine Weisheit geurteilt hätte, die die Grenze des bloß Gelehrten erkennt."
Lesenswert ist sicher der Beitrag von Erzbischof Luis Ladaria, dem neuen Präfekten der Glaubenskongregation und Nachfolger von Kardinal Müller. Der spanische Jesuit scheut die Öffentlichkeit. So hat man hierzulande noch nicht viel von ihm gehört. Der Artikel bietet einen guten Einblick in das theologische Denken des Präfekten.
Im Gespräch mit ihm fiel mir eine Sache auf: Der Erzbischof spricht sehr gut Deutsch...